Durch den Doppelspalt

Bei vielen Gesprächen, meist nach Podiumsdiskussionen oder beim geselligen Beisammensein in Salongesprächen, sowie sehr häufig auch anläßlich meiner Ausstellungen und den vielen sich stellenden Fragen dort, werde ich über die unerklärlichen Phänomene in der Quantenphysik befragt. Ich gehe hier auf ein oft angesprochenes Experiment ein: das Doppelspalt Experiment:

Bezeichnend für dieses Experiment ist nicht nur seine Einfachheit, sondern auch seine Radikalität im Ergebnis. Kaum ein anderes Experiment zeigt auf so deutliche Weise ein für uns scheinbar unerklärliches Phänomen reproduzierbar auf. Es ist heute mit zwei Rasierklingen und einer Lichtquelle als Schülerexperiment nachstellbar.

Nach Beschäftigung mit diesem Experiment wird unser Weltbild nicht mehr das sein, was es zuvor war. Es verändert sich dauerhaft und – wenn man sich weiter auf das Thema einlässt – formt es unsere Realität um. Oft wird seine Konsequenz leider nicht beachtet.

Eine weitere Besonderheit dieses Experimentes ist, dass es schon von 200 Jahren entwickelt wurde und dazu noch von einem Arzt und Hobbyphysiker, den Engländer Thomas Young. In jedem steckt die Fähigkeit, Großes zu bewegen.

Isaac Newton und Thomas Joung

Um das Experiment zu verstehen, sollte man wissen, wie das damalige Weltbild war, was auch heute noch bei vielen Menschen vorherrscht:

Der Verlauf des Fluges und Auftreffens einer Pistolenkugel ist unserer Ansicht nach durch Newtons Gesetze der Mechanik immer vorausberechenbar. Auch der Verlauf einer Welle, z.B. durch Steinwurf in die Mitte eines Teiches, ist vorausberechenbar, selbst wenn sie von anderen Wellen durchkreuzt wird und „interferiert“, d.h. mit anderen Wellen in Wechselwirkung tritt. Licht wurde in der Zeit um Newton als Teilchenstrom gesehen, d.h. aus vielen Teilchen zusammengesetzt, was sich durch das Experiment von Thomas Young nicht mehr so eindeutig darstellen ließ.

Thomas Young entwarf einen einfachen Versuchsaufbau, um das für das Licht zu überprüfen: er ordnete zwei sehr schmale Schlitze parallel nebeneinander an und ließ Licht hindurchscheinen. Um zu sehen, ob das Licht durch die Schlitze hindurch ging, brachte er in einem Abstand dahinter eine Wandfläche an, auf der das Licht auftraf.

Nun könnte man das Ergebnis vorausahnen: hinter den Schlitzen tauchen auf der Fläche zwei Lichtstreifen auf, die dadurch zu begründen sind, dass einige der Lichtteilchen durch den einen Schlitz, die anderen durch den anderen Schlitz hindurch gelangt sind und dahinter auf die Wand trafen.

Licht als Wellenphänomen

Aber so ist es nicht. Erstaunlicherweise treten auf der Wand viele Streifen nebeneinander auf, deren Intensität nach links und rechts abnimmt, zwischen den Streifen ist keine Spur vom Licht. Es ist sogar die Intensität des mittleren Streifen am höchsten, dort wo eigentlich gar keine Teilchen landen konnten, da die Mitte vom Bereich zwischen den Schlitzen verdeckt ist.

Wie ist das möglich? Es ist nur zu erklären, wenn man davon ausgeht, dass Licht kein Teilchenstrom ist, sondern eine Welle. Das widerspricht der von Newton postulierten Teilchennatur des Lichtes, aber sei’s drum: Schickt man also diese Welle los und sie trifft auf die Schlitze, gelangt sie durch beide hindurch wird hinter dem Schlitz zu jeweils einer sich ringförmig ausbreitenden Welle und beide vereinigen sich kurz danach wieder auf ihrem Weg zur Wand.

Dabei entsteht ein Interferenzmuster, da sich Wellenberge und -täler überschneiden und sich an Intensität dabei verdoppeln oder auslöschen. (Die Auslöschung nützt man heute bei aktiven Kopfhörern, welche Umweltgeräusche dadurch dämpfen, indem sie diese analysieren und eine Gegenwelle erzeugen, welche die Schallwelle löscht.) Dieses Muster von Auslöschung und Erhöhung äußert sich in den beobachteten Streifen auf der Wand.

Alles schön und gut, das ist also der Beweis, dass Licht eine Welle ist und das hat ja schließlich auch Maxwell um 1870 bestätigt indem er das Prinzip der elektromagnetischen Welle entwickelte.

Zweimal Nein

Erstes Nein: wir beobachten auch wenn man Teilchen (Elektronen) durch die beiden Schlitze schießt ein sich ergebendes Wellenmuster, als hätte man Wellen losgeschickt und keine Teilchen.

Zweites Nein, denn Thomas Young prüfte nun nach, was passiert, wenn er einen der beiden Schlitze schloss. Man würde annehmen, dass nun eine Welle durch den verbleibenden, offenen Schlitz hindurch geht und zwar keine Interferenz mehr mit der anderen Welle entsteht, aber diese Welle auf die Wand trifft und dort einen ebenso breiten Helligkeitsverlauf, nur schwächer, abbildet. Und hier gibt es nun einen Bruch in unserer bisher wahrgenommenen Realität: Es wird nur eine senkrechte Linie abgebildet, wie anfangs vermutet, als wir davon ausgingen, Licht sei ein Strom aus Teilchen.

Aber wie kann sich Licht einmal als Welle und ein anderes Mal als Teilchen verhalten? (Man muss verstehen, eine geteilte Welle besteht auch nach Aufteilung aus einzelnen Wellen, die dabei nicht zu Teilchen werden)

Unschärfe

Erwin Schrödinger nahm an, das Teilchen verschmiert im Flug zu einer Welle und Max Born kam schließlich auf die Idee diese Welle nicht als tatsächliche Welle anzusehen, sondern als Wahrscheinlichkeitsverdichtung. Das Teilchen ist unterwegs als großer Haufen von Möglichkeiten in Form einer Wahrscheinlichkeitswelle. Uff…Sie werden sagen: wie soll man sich das vorstellen?

Verlassen wir dieses Themendetail und akzeptieren wir im Moment einfach, dass „etwas“ sowohl Teilchen, als auch Welle sein kann, je nach Bedarf oder Situation.

Veränderung durch Beobachtung

Nachdem um 1900 Max Planck die Quantisierung des Lichtes, also die Päckchen von elektromagnetischen Wellen = Quanten nachwies und diese mit „Photonen“ bezeichnet wurden, wurde das Doppelspaltexperiment wiederholt, nun mit einzelnen Photonen. Schickt man viele einzelne Photonen nacheinander durch den Doppelspalt, dann entsteht das typische Welleninterferenzmuster an der auftreffenden Wand. Das ist aber nicht möglich, da die einzelnen Beschusse durch Teilchen (Photonen) erfolgt warten und somit nur ein Strich hinter dem Schlitz entstehen hätte sollen.

Sobald man aber durch Detektoren feststellen wollte, durch welchen Schlitz das jeweilige Photon gekommen war, veränderte sich das Wellenmuster auf ein Teilchenmuster, nämlich nur zwei Lichtstreifen. Das Photon bewegt sich anscheinend – für uns immer noch nicht intuitiv begreifbar – gleichzeitig durch beide Spalte und erhält erst durch die Messung hinter dem Spalt einen einzigen, festen und plausibel zufällig (gaussverteilt) gestreuten Ort. Also führte die Messung dazu, dass sich die Wirklichkeit veränderte, aus der Welle wurden durch Messung Teilchen. Die Welle ist kollabiert und formte Teilchen aus.

Das brachte das Fundament des physikalischen Experimentes zum Wackeln, die Objektivität einer Beobachtung stand auf dem Spiel, und, um es vorwegzunehmen, kippte das bisherige Postulat einer unabhängigen Beobachtung eines Experiments über die Klippe und ist seither Geschichte.

Im Ergebnis bedeutet dies, dass man nicht beobachten kann, ohne das Beobachtete zu verändern. Abstrakter formuliert, formen wir die Welt durch unsere Beobachtung.

Wenn Sie meinen, das sei ja „nur“ mit masselosen Lichtteilchen möglich, dann kann Ihr Wissen bereichern:

Das Experiment ist inzwischen auch mit Atomen und Fullerenen (60 Kohlenstoffatome) im  Vakuum ohne jede Wechselwirkung erfolgreich durchgeführt worden.

Das Doppelspalt Experiment und dessen ergebnisreiche Konsequenz regt zum Grübeln an, so lesen wir in der Kopenhagener Deutung von Nils Bohr und Werner Heisenberg:

„Auf uns unverständliche Weise ist unser Bewusstsein ein Teil der Materie und die Materie trägt einen Teil des Bewusstseins.“ (etwa 1927)



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